1756 bis 2006: 250 Jahre BraunsMühle

Die BraunsMühle 1930
Die BraunsMühle 1930

Als am 15. August 1746 der Blitz in die Mühle einschlug, wurde sie so stark beschädigt, dass der damalige Eigentümer der Mühle, Graf August Bernhard von Salm-Reifferscheidt-Dyck, sich entschloss, an ihre Stelle im Jahr 1756 eine Mühle aus Stein nach holländischer Bauart zu errichten. Diese Mühle steht also heute noch und kann auf eine 250jährige Vergangenheit zurückblicken.

Über den Bau dieser Mühle ist bekannt, dass sie vom Mühlenmeister Bork aus Dormagen geplant und von Johann Stadeler aus Zons erbaut wurde. Um diese Mühle zu errichten, wurden 161.608 Feldbrandsteine, 181 Malter Kalk, 9.000 Pfund Eisen und 680 Fuß Eichenholz verarbeitet. Über dem südlichen Ausgang zum Mühlenberg fertigte der Maurer Johann Urbanus aus Königswinter das gräfliche Wappen aus Sandstein an, heute leider verwittert.

Über Eigentümer und Besitzer dieser Windmühle ist bekannt, dass sie bis zur „Franzosenzeit“ um 1800 eine „Bannmühle“ der Grafen von Dyck war und deshalb auch den Namen „Dycker Mühle“ führte. Die Bewohner der Orte, die im „Mühlenbann“ einer Bannmühle lagen, waren gezwungen, in dieser Mühle mahlen zu lassen. Mahlpflichtig im „Mühlenbann“ dieser Dycker Mühle waren die Bewohner der Ortschaften Büttgen, Holzbüttgen, Weilerhöfe und Lüttenglehn.

Im Mittelalter lag der größte Teil der Besitzungen und Rechte, wie z.B. das Mahlrecht, entweder in kirchlicher oder in fürstlicher Hand. Da die Franzosen nach der Eroberung des linken Rheinufers diese Rechte privatisierten („Säkularisation“) und damit auch den Mühlenbann aufhoben, war die Dycker Mühle für den damaligen Eigentümer, Graf Josef zu Salm, uninteressant geworden und er verkaufte sie im Jahr 1808 an den Büttgener Müller Hermann Kiever und dessen Ehefrau Sophia, geborene Meyer. Beurkundet wurde dieser Kaufvertrag durch den Neusser Notar Everhard Dünbier. Als die Eheleute Kiever die eingegangenen Verpflichtungen nicht erfüllen konnten, kaufte ihnen der Notar Everhard Dünbier und dessen Frau Anna, geborene Spickernagel die Mühle im Jahr 1810 ab. Der Notar bewirtschaftete die Mühle aber nicht selbst, sondern verpachtete sie an den Kleinenbroicher Müller Johann Meyer.

Wie lange Meyer die Mühle gepachtet hat und wer nach ihm Pächter war, ist nicht überliefert. Bekannt ist nur, dass Wilhelm Dünbier, ein Nachfahre der Eheleute Everhard und Anna Dünbier, die Mühle im Jahr 1842 übernahm und sie im Jahr 1890 an den Monheimer Windmüller Adam Schneider verpachtete, der sie fünf Jahre später, im Jahr 1895, käuflich erwarb. Schneider löste die noch auf der Mühle bestehenden Restschulden ab und renovierte sie einige Jahre später umfangreich. Zeuge dieser Renovierung ist ein heute noch an der Mühle vorhandenes Gedenkkreuz mit der Aufschrift „Renovatum 1907“.

Nach Adam Schneider bewirtschaftete dessen Schwiegersohn Heinrich Braun einige Jahre die Mühle. Als dieser die Mühle aus finanziellen Gründen nicht mehr halten konnte, sprang sein Bruder Wilhelm für ihn ein und erwarb die Mühle im Jahr 1931 zusammen mit seiner Frau Helene geb. Wember. Da Wilhelm Braun die Mühle bald danach von Wind- auf Dieselantrieb umstellte, war er der letzte Windmüller auf dieser Mühle, die im Volksmund fortan nur noch „BraunsMühle“ genannt wird.

Da bis 1947 weder Mühle noch Müllerhaus über elektrischen Strom verfügten - als Lichtquellen dienten bis dahin Petroleumlampen -, ließ Wilhelm Braun vom ca. 1 km entfernten Dorf Büttgen auf eigene Kosten eine Stromleitung legen und stellte den Antrieb der Mahlgänge auf Elektroantrieb um.

Als es zum Beginn der 50er Jahre durch den verstärkten Einsatz von Mähdreschern notwendig wurde, das geerntete Getreide künstlich zu trocknen, andererseits das Vordringen der industriellen Großmühlen den kleineren Mühlen die Existenzgrundlage nahm, entschloss sich Wilhelm Braun, den Mahlbetrieb im Jahr 1952 endgültig einzustellen. Auf die ihm vom Staat zustehende Stilllegungsprämie verzichtete er, weil er befürchtete, auf diese Weise das Mahlrecht zu verlieren. Danach führte er nur noch seinen bereits während des zweiten Weltkrieges aufgebauten Handel mit Landesprodukten und Kartoffeln fort.

Da die Mühle in den Folgejahren immer mehr verfiel, sollte sie im Sommer 1967 mit finanzieller Unterstützung des Landschaftsverbandes Rheinland (Denkmalschutz) restauriert werden. Nach den Vorstellungen des Landeskonservators sollte die Mühlenhaube mit Holzschindeln gedeckt werden. Weil Wilhelm Braun die Anfälligkeit von Schindeln fürchtete, verzichtete er auf die in Aussicht gestellten Fördergelder und ließ die Haube mit einem wartungsfreien Kebu-Belag abdecken. Weiterhin wurden die Fenster erneuert, der Mühlenturm neu verputzt und danach weiß gestrichen.

Nachdem Wilhelm Braun im Jahr 1975 gestorben war, konnte er sich nicht mehr an dem im Jahr 1979 mit Unterstützung durch den Landschaftsverband Rheinland und durch den Kreis Neuss wieder erneuerten Flügelkreuz erfreuen.

Im Jahr 1984 wurde die „BraunsMühle“ als eine der wenigen erhaltenen historischen Turmwindmühlen im Rheinland mit ihren weitgehend noch vorhandenen Betriebs-techniken auf Empfehlung des Landeskonservators in die Denkmalliste der Stadt Kaarst eingetragen.

Leider brach im Frühjahr 1990 einer der Flügelruten durch Sturmeinwirkung ab, sodass auch die benachbarte Flügelrute aus Gründen des Gleichgewichts gekürzt werden musste.

Nachdem auch Helene Braun im Jahr 1991 verstarb, ging das Eigentum an der BraunsMühle im Wege der Erbfolge auf deren beiden Enkelkinder Guido Nilgen und Yvonne Skopp-Nilgen, über.

Als sich im Herbst 1998 zeigte, dass die verbleibenden Restflügel im Laufe der Jahre weiter an Stabilität verloren hatten und eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellten, wurden auch sie schließlich restlos entfernt.

Aus ihrem „Dornröschenschlaf“ wurde die BraunsMühle erst wieder erweckt, als Ende er 1990er Jahre das Land NRW plante, erstmals eine Landesgartenschau über Grenzen hinweg zu veranstalten. Weil Natur- und Kulturräume nicht an Staats¬grenzen enden, andererseits den Regionen im Rahmen eines Europas ohne Grenzen eine immer größere Bedeutung zukommt, entschlossen sich die Region Düsseldorf/ Mittlerer Niederrhein auf deutscher und die Provinz Limburg auf niederländischer Seite im Jahr 2002 eine europäische Gartenschau zu veranstalten, die den Namen „EUROGA 2002 plus“ erhielt.

Auf der Suche nach geeigneten Objekten für diese Veranstaltung wurde von der Stadt Kaarst u.a. die BraunsMühle vorgeschlagen und von den EUROGA-Gremien als kulturhistorisches Projekt der „EUROGA 2002 plus“ anerkannt. So wurde dieses Büttgener Wahrzeichen wieder in das Bewusstsein der Bevölkerung gerückt.

Im Oktober 2000 wurde ein Förderverein, die „Fördergemeinschaft BraunsMühle Büttgen e.V.“, von 30 Gründungsmitgliedern gegründet, um dieses kulturhistorische Kleinod von seinen Eigentümern, den Geschwistern Guido Nilgen und Yvonne Skopp-Nilgen, zu pachten (die symbolische Jahrespacht beträgt ein EURO) und nach seiner Sanierung und Restaurierung sowohl wieder die vorindustrielle Produktion von Mehl mittels Windkraft aufnehmen als auch eine museale Begegnungsstätte einzurichten und zu betreiben und damit für die interessierte Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Denn bei der Beurteilung durch die EUROGA-Gremien stand zwar das Mühlenensemble aus dem Jahre 1756 mit seiner noch fast vollständig erhaltenen Mühlentechnik im Vordergrund, doch waren auch volkskundliche Gründe maßgebend, weil dieses Baudenkmal nicht nur in seinem Gebrauch das Brauchtum, die Auffassungen, Alltagswelt der Bevölkerung oder bestimmter Bevölkerungskreise dokumentiert, sondern auch zeitweise Treffpunkt dieser Personengruppen war.

Nachdem eine technische Bestandsaufnahme erstellt und die Kosten für die notwendigen Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten ermittelt waren, konnte die

„Fördergemeinschaft BraunsMühle Büttgen e.V. als Geldgeber das Land NRW, die Stadt Kaarst, die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, die NRW Stiftung und die Kulturstiftung der Stadtsparkasse Kaarst-Büttgen gewinnen.

An dieser Stelle ist noch darauf hinzuweisen, dass Graf August Bernhard im Jahr 1756 eine weitere Windmühle errichten ließ, und zwar zwischen den Orten Aldenhoven und Damm, die heute beide zur Gemeinde Jüchen gehören. So kann auch diese Mühle, über deren Tür das gräfliche Wappen noch gut erhalten ist und die heute noch „Dycker Mühle“ genannt wird, in diesem Jahr ebenfalls ihr 250jähriges Bestehen feiern. Allerdings wird sie nicht mehr als Mühle, sondern als privater Wohnsitz genutzt.